Ein furchteinflößendes Duo

Eine Kurzgeschichte in zwei Kapiteln

Werke Geschichten Fantasy PG-13

Stille Wasser sind tief und Frauen sollte man besser nicht unterschätzen. Vor allem dann nicht, wenn sie mit einem gerissenen Krieger zusammenarbeiten. Wer hätte geahnt, dass eine Heilerin und ein Schwertkämpfer ein so furchteinflößendes Duo abgeben?

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Die Sonne schien hell durch das geöffnete Fenster und hinterließ glühende Lichtpunkte an den Wänden. Auf der Fensterbank saß ein Vogel und zwitscherte ein fröhliches Lied. Sein Gefieder tanzte in der sanften Morgenbrise. Ein Hauch von Lavendel und Rosmarin lag in der Luft.


Ruwenias Hände glitten behutsam über die angespannten Muskeln und brachten sie dazu, sich zu entspannen und zu regenerieren. „Wie fühlt es sich an?“, erkundigte sie sich besorgt. Ihre Stimme klang ruhig und unaufdringlich, nicht gewillt, die fast meditative Ruhe zu stören. „Habt Ihr Schmerzen?“


Ein mildes Lächeln erhellte Serons Gesicht. „Ganz im Gegenteil. Ich empfinde es als ausgesprochen angenehm.“


Er kniete mit nacktem Oberkörper vor ihr auf zwei überaus weichen und sehr flauschigen Kissen. Seron wusste noch immer nicht, woher diese kamen. Soweit er wusste, hatten sie keine weichen und flauschigen Kissen. Schließlich waren sie die königliche Garde. Hartgesottene Krieger. Und die hatten es eben nicht so mit flauschig und weich!


Ruwenia jedoch schien sich dieser grundlegenden Tatsache nicht bewusst zu sein, denn sie war nicht nur mit einem, sondern gleich mit drei dieser flauschigen Kissen aufgetaucht.


Ein Einziges wäre seiner Meinung nach mehr als ausreichend gewesen. Doch offenbar nicht für Ruwenia. Sie hatte mit überraschender Strenge darauf bestanden, dass er es während dieser Prozedur bequem haben sollte. Es hatte ihn fast eine Viertelstunde gekostet – und den wiederholten Einsatz seiner außerordentlichen Überredungskünste -, um sie auf zwei herunterzuhandeln. Aber er hatte es geschafft. Schließlich war er ein sehr begabter Redner und Taktiker.


Über die geheimnisvolle Herkunft dieser Kissen konnte er später nachdenken. Im Moment gab es für ihn ein dringenderes Problem zu lösen. Und zwar musste er Ruwenia davon überzeugen, dass es ihm gut ging und sein Heilungsprozess gut vorankam. Eine herausfordernde Aufgabe, da sie dazu neigte, sich bereits über die einfachsten Dinge Sorgen zu machen.


Eine Eigenschaft, die sie mit Alwen, dem Anführer der Garde teilte. Und eine Eigenschaft, die vor allem sein Freund Kaldor als ebenso lästig wie amüsant empfand. Ja, er beharrte sogar darauf, dass Ruwenia das uneheliche Kind von Alwen und Thorwen war. Seron erinnerte sich noch sehr gut an Kaldors absurde Begründung.


‚Ruwenia ist genauso gut im Nörgeln wie Alwen. Und hast du gesehen, wie ernst sie ihren Besen schwingt? Sie sieht genauso aus wie Thorwen, wenn er trainiert. Nur ein Kind von ihm kann beim Fegen so ernst aussehen.

Ungeachtet der Unmöglichkeit von Kaldors abwegiger Theorie hatten die anderen Mitglieder der Garde sofort Gefallen an ihr gefunden – Sie grinsten und flüsterten, wann immer man die drei zusammen sah.


Im Moment jedoch schien Ruwenia beschwichtigt zu sein, denn sie erwiderte sein Lächeln mit einem eigenen, strahlenden. In ihren ausdrucksstarken braunen Augen schimmerte Erleichterung.


„Das freut mich, zu hören. Wir sind ohnehin fast fertig.“


Sie drehte sich um und ergriff eine schlichte, hölzerne Schale, die bis zum Rand mit einer weißen, cremeartigen Substanz gefüllt war und neben der Tür auf dem Boden stand. In einigem Abstand, damit sie sie nicht aus Versehen umstieß.


„Ich werde die Paste jetzt auftragen“, informierte sie ihn ruhig, während sie eine Handvoll entnahm und sie leicht zwischen ihren Handflächen erwärmte.


Einige schnelle und geübte Handgriffe später war Serons Schulter mit der weißen Creme bedeckt und gut bandagiert.

„Wir sind fertig. Wie fühlt Ihr Euch?“


Seron ballte seine Faust und entspannte sie wieder, dann versuchte er, seine Schulter zu bewegen.

„Sie fühlt sich etwas leichter an.“


Er erhob sich aus seiner knienden Position. „Ich danke Euch, Ruwenia. Ich bitte um Entschuldigung für die Unannehmlichkeiten.“

„Das ist kein Problem“, antwortete Ruwenia sofort. „Ich helfe immer gerne -“


Sie drehte sich zu Seron um und hielt plötzlich inne, wie gebannt von dem Bild, das sich ihr bot.


Seron stand vor dem Fenster und lehnte sich lässig gegen die Fensterbank. Im Licht der hellen Sonnenstrahlen schimmerte sein nackter Oberkörper hell, und sie konnte jeden einzelnen Muskel sehen.


Verwundert über das plötzliche Verstummen der jungen Frau, hob Seron fragend eine Augenbraue und lehnte sich leicht in ihre Richtung. „Gibt es ein Problem?“, erkundigte er sich freundlich, wobei ein schwacher Hauch von etwas in seinem Ton mitschwang. War es Ahnung?


Ein zartes Rosa legte sich über Ruwenias Wangen. „Ihr … Ihr könnt Euch wieder ankleiden. Sie versuchte, ihre Stimme so normal und beherrscht wie möglich zu halten, doch es misslang ihr. Ruwenia fluchte innerlich, denn das ungewollte Stottern machte alle Bemühungen zunichte, eine ruhige Fassade aufrechtzuerhalten.


Serons braune Augen funkelten amüsiert und er stieß sich mit einer einzigen geschmeidigen Bewegung von der Fensterbank ab. Er näherte sich Ruwenia, lautlos und mit leisen Schritten, wie ein Tiger, der sich an seine Beute pirscht.

„Sieh an, Sie an… Bereite ich Euch etwa Unbehagen?”


Ein leichter Schauer lief ihr über den Rücken, als Seron seine Hände auf den Tisch legte und sich ganz nah an ihr Gesicht lehnte. Unwillkürlich hielt sie den Atem an, vollkommen fasziniert von seiner sanften und doch kraftvollen Ausstrahlung.


Er war Selbstvertrauen.


Er war Stärke.


Vor allem aber war er Gefahr. Doch sie war anders als die Gefahr, die die anderen Krieger ausstrahlten. Sie war weder offensichtlich noch beherrschend. Sie lag im Verborgenen. Unsichtbar und scharf, wie eine vergiftete Klinge. Allzeit bereit, immer eine unterschwellige Bedrohung darstellend. Eine Bedrohung, die ein weitaus schlimmeres Schicksal als den Tod verhieß.


Doch Ruwenia hatte keine Angst – nicht mehr. In Serons Gegenwart fühlte sie sich sicher – und in diesem Moment auch ziemlich nervös.

Sie öffnete den Mund, um etwas zu sagen – irgendetwas, doch was immer es war, sie kam nicht dazu.


Denn der lauwarme Wind trug eine Stimme durch das offene Fenster. Eine unangenehm vertraute Stimme. Eine unangenehm vertraute, sich beschwerende Stimme.


Doren.


Und er redete über Seron.


Hinter seinem Rücken.


Schon wieder.


Und damit war der Moment, den sie hatten, vorbei. Sie waren nun beide mehr auf Dorens leise Worte konzentriert als auf den jeweils anderen.

„…Ich verstehe wirklich nicht, weshalb sie ihn hierbehalten. Ich meine, wozu ist ein Krieger gut, der nicht einmal ein Schwert führen kann, geschweige denn in der Lage ist, es zu halten?”


Serons Augen wurden schmal, und der Hauch von Gefahr, der ihn umgab, wurde beinahe greifbar. Seine ruhigen, kaffeebraunen Augen verdunkelten sich zu einem tiefen, alles verzehrenden Strudel aus Umbra.


Die Atmosphäre wurde tödlich. Ruwenia warf einen besorgten Blick auf den Mann vor ihr. Er stand stramm wie eine Bogensehne. Seine Augen waren kälter als Eis und das sonst so ruhige Lächeln auf seinen Lippen wirkte seltsam verzerrt.


Eine Wolke schob sich an der Sonne vorbei und für den Bruchteil einer Sekunde veränderte sich der Lichteinfall. Es war nur ein flüchtiger Moment, ein Wimpernschlag, aber Ruwenia hätte schwören können, dass Serons Schatten für einen Moment dunkle, dämonische Schwingen gebar.


Ruwenia verspürte einen plötzlichen Anflug von Wut. Mit welchem Recht stellte dieser Mann Serons Position infrage? Er war noch nicht einmal ein halbes Jahr hier, und schon benahm er sich, als gehöre ihm alles!


„Seron ”, murmelte sie leise, aber eindringlich, und legte sanft eine Hand auf seinen unverletzten Arm. „Hört nicht auf ihn. Ihr seid kein Invalide! Bitte versucht, Euch nicht davon beirren zu lassen.“


Seron wandte seinen Kopf in Ruwenias Richtung, und sein Blick wurde ein wenig weicher. Seine Haltung, jedoch, blieb so angespannt und starr wie zuvor.


„… Das liegt wahrscheinlich an Kommandant Alwen. Er bevorzugt gerne seine Freunde. Und er neigt dazu, nutzlose Leute um sich zu scharen. Wie dieses Mädchen. Ruwenia, richtig? Sie geht hier ein und aus, als ob sie dazugehört. Es muss schön sein, so behandelt zu werden, nur weil man herumschläft.”


Ruwenia stockte. Ihre Gefühle tobten wie ein Wirbelwind durch sie hindurch.


Schock.


Empörung.


Wut.


Der Dämon in ihr hob seinen Kopf – und brüllte. Ruwenias goldenes Feuer traf auf bernsteinfarbenes Eis und entfachte ein unaufhaltsames Inferno.


„Vergesst, was ich gesagt habe“, flüsterte Ruwenia leise. Sie bebte vor unterdrücktem Zorn. „Seron, ich habe eine Idee. Würdet Ihr mich anhören?”

Eine interessiert hochgezogene Augenbraue war die einzige Aufforderung, die sie benötigte.

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